Hagia Sophia in Moschee umgewandelt

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Die Hagia Sophia in Istanbul, vollendet im Jahr 537, war christlich orthodoxes Gotteshaus bis 1453 und danach muslimische Moschee. 1934 wandelte sie Präsident Mustafa Kemal Atatürk, Gründer und «Vater» der modernen Türkei per Dekret in ein Museum um – ein absichtsvolles Zeichen für Internationalität und Offenheit einer säkularen Türkischen Republik. Im Juli diesen Jahres hat der jetzige Präsident Recep Tayyip Erdogan, erklärter Gegner eines atatürkschen Kurses, das Rad der Geschichte gewissermassen zurückgedreht.

Die Hagia Sophia, Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, ist nun wieder Moschee. Mit anderen christlichen Kirchen in der Türkei ist seither Gleiches geschehen. Andrej Cilerdzic, der serbisch-orthodoxe Bischof für die Schweiz, Österreich, Italien und Malta, hält das für einen Ausdruck von «Unterjochung» und «geistigem Genozid».

Orthodoxer Bischof kritisiert türkische Religionspolitik

Text: Katholische Presseagentur Wien / Katholisches Medienzentrum Schweiz

Andrej Ćilerdžić, Serbisch-Orthodoxer Bischof für die Schweiz und Österreich | © Martin Spilker

Er ist Serbisch-orthodoxer Bischof auch für die Schweiz. Nun ruft Andrej Cilerdzic Europa zum Protest gegen die Umwandlung ehemaliger Kirchen in Moscheen auf.

Der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic kritisiert die türkische Religionspolitik scharf. In einer Mitteilung (Dienstag) appelliert er an alle Verantwortlichen Europas, gegen den «geistigen Genozid» in der heutigen Türkei Stellung zu nehmen.

Aktueller Anlass der Kritik sind die jüngsten Umwandlungen der Hagia Sophia und des Chora-Klosters in Istanbul von Museen in Moscheen.

Diese Umwandlungen seien eine völlig falsche Botschaft, «speziell an die Adresse weltweiter radikaler Bewegungen, die ihrerseits das friedliche Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Religion auf unserem Planeten bedrohen und belasten», so Bischof Andrej. Die Umwandlungen verkehrten auch symbolisch die Anstrengungen von Kemal Atatürk, «aus der Türkei einen modernen Staat aufblühen zu lassen».

Christliches Erbe in Schutz nehmen

Wörtlich hält Cilerdzic fest: «Es ist christliche Ehrenschuld und staatsbürgerliches Pflichtgebot, dass wir als europäische Völker das christliche Erbe in Schutz nehmen, zumal auf diesem Erbe unser heutiges Europa fusst.» In der Einlösung dieser Schuldigkeit schütze man ebenso die Würde aller Menschen, ganz unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit, «denn der Mensch ist als Ebenbild Gottes das kostbarste Wesen».

Gott sei Dank gebe es aber auch islamische Theologen, so Cilerdzic, «die öffentlich die Umwandlungen byzantinischer Kirchen in Moscheen brandmarken und darüber hinaus hervorheben, dass sich Umwandlungen orthodoxer Heiligtümer in Moscheen den islamischen Werten der Toleranz und des Friedens widersetzen».

Solidarität mit Patriarch Bartholomaios

Bischof Andrej bekundet seine Solidarität mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., und weist auf die bedrängte Situation der letzten verbliebenen orthodoxen Christen in der Türkei hin. Cilerdzic spricht wörtlich von «jahrzehntelanger kultureller Unterjochung». Ähnliche Umwandlungen von ehemaligen Kirchen/Museen in Moscheen habe es auch in anderen Teilen der Türkei gegeben. Der Bischof verweist u.a. auf die Hagia Sophia von Trabzon (Trapezunt). Vielen orthodoxen Kirchen im Pontus oder an der ägäischen Küste seien zudem dem Verfall anheimgegeben.

Bischof Andrej hat seinen Sitz in Wien. Er ist für die serbisch-orthodoxen Gläubigen in Österreich, der Schweiz, Italien und Malta zuständig; insgesamt rund 500’000 Gläubige. Gut 300’000 davon leben in Österreich.

Der ausführliche Appell des Bischofs im Wortlaut findet sich auf der offiziellen Website der serbisch-orthodoxen Kirche in Österreich utner www.crkva.at. (kap)

Text: Katholische Presseagentur Wien / Katholisches Medienzentrum Schweiz

Brief des ÖRK an Präsident Erdogan, die Hagia Sophia als gemeinsames Erbe der Menschheit zu bewahren

Scharfe Kritik an der Entscheidung des türkischen Präsidenten übte in einem offenen Brief auch der in Genf ansässige Ökumenische Rat der Kirchen, dessen 350 Mitgliedkirchen mehr als eine halbe Milliarde Christen vertreten. «Kummer und Bestürzung» herrsche darüber, wie hier das «Engagement der Türkei für Säkularismus und Integration» aufgegeben werde, so als existiere kein Wille mehr, «die Konflikte der Vergangenheit hinter sich zu lassen».

Wörtlich schrieb Ioan Sauca, interimistischer Generalsekretär des ÖRK, an Recep Tayyip Erdogan:

«Sehr geehrter Herr Präsident,

Seit die Hagia Sophia 1934 in ein Museum umgewandelt wurde, war sie für Menschen aller Nationen und Religionen ein Ort der Aufgeschlossenheit, der Begegnung und der Inspiration und eine eindringliche Bekundung, dass sich die Republik Türkei dem Säkularismus und der Integration verpflichtet fühlt und darin ihrem Wunsch Ausdruck verleiht, die Konflikte der Vergangenheit hinter sich zu lassen.Heute jedoch bin ich gezwungen, Ihnen den Kummer und die Bestürzung des Ökumenischen Rats der Kirchen – und seiner 350 Mitgliedskirchen in über 110 Ländern, stellvertretend für mehr als eine halbe Milliarde Christinnen und Christen weltweit – über die von Ihnen eingeleiteten Schritte zu übermitteln. 

Durch den Beschluss, die Hagia Sophia wieder in eine Moschee zu verwandeln, haben Sie das positive Signal der Aufgeschlossenheit des türkischen Staats in sein Gegenteil verkehrt und in ein Zeichen der Ausgrenzung und Spaltung verwandelt. Bedauerlicherweise wurde diese Entscheidung ohne vorherige Rücksprache mit der UNESCO gefällt und ohne zu berücksichtigen, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf den universellen Wert der Hagia Sophia im Rahmen der Welterbekonvention haben wird.

Über die Jahre hinweg hat der Ökumenische Rat der Kirchen grosse Anstrengungen unternommen, um die aktive Beteiligung seiner Mitgliedskirchen am Dialog zwischen den Religionen zu fördern, um so anhand der gemeinsamen Werte Brücken des gegenseitigen Respekts und der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften zu bauen. Zudem hat der ÖRK zusammen mit seinen Mitgliedskirchen in Zeiten der Herausforderung stets seine Stimme erhoben, um Gemeinschaften anderen Glaubens, zu denen auch muslimische Gemeinde gehörten, zu verteidigen und zu unterstützen, damit deren Rechte und Integrität geachtet wurden. Die Entscheidung, einen so symbolträchtigen Ort wie die Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee zurückzuverwandeln, wird unweigerlich zu Unsicherheit, Argwohn und Misstrauen führen und unsere gesamten Anstrengungen, die Menschen unterschiedlichen Glaubens zu Gesprächen und zur Zusammenarbeit an einem Tisch zusammenzubringen, untergraben. Mehr noch, wir befürchten sehr, dass es andernorts Gruppierungen in ihren Bestrebungen bestärken wird, den bestehenden Status Quo aufzuheben und erneute Spaltungen zwischen den Glaubensgemeinschaften voranzutreiben. 

Herr Präsident, Sie haben wiederholt bekräftigt, dass sich die moderne Türkei als säkularer Staat betrachtet, doch gestern haben Sie eine Verpflichtung aufgehoben, die dieses historische Denkmal seit 1934 als gemeinsames Erbe der Menschheit bewahrt hat. Zum Wohle der Förderung des gegenseitigen Verständnisses und Respekts, im Interesse von Dialog und Zusammenarbeit und um alte Feindseligkeiten und Spaltungen nicht wieder aufkommen zu lassen, appellieren wir dringend an Sie, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken und zurückzunehmen.

Wir schließen uns dem ökumenischen Patriarchen, Seiner Allheiligkeit Bartholomäus I., an und geben unserer inbrünstigen Hoffnung und unserem Bitten Ausdruck, dass die Hagia Sophia nicht erneut in den Mittelpunkt von Konfrontationen und Auseinandersetzungen gerückt wird, sondern ihre Rolle als Symbol der Einheitsstiftung, die sie seit 1934 innehat, beibehält.

Mit hochachtungsvollen Grüßen

Priester Prof. Dr. Ioan Sauca
Interims-Generalsekretär
Ökumenischer Rat der Kirchen»

Der ganze Brief vom 11. Juli 2020 (deutsche Fassung des englischen Originals) auch auf www.oikoumene.org