Wir trauern um
Peter Wittwer, *13. Mai 1940 bis 28. März 2020+
Priester, Pfarrer, Menschenfreund
Von Stephan Schwitter, Bereichsleiter Migrantenseelsorge der Katholischen Kirche im Kanton Zürich (publiziert am 4. April 2020 auf der Homepage der Katholischen Kirche im Kanton Zürich)
Mit Pfarrer Peter Wittwer verlieren die Zürcher Kirchen und Religionsgemeinschaften einen ihrer engagiertesten Menschen für den Frieden unter den Religionen. Sein besonderes Interesse galt den Ostkirchen. Stephan Schwitter, enger Weggefährte des Verstorbenen, schreibt seinem Freund einen letzten Brief.
04. April 2020
Lieber Peter,
Du bist am Samstag, 28. März, nach beschwerlicher Krankheit von uns gegangen. Mein Freund, traurig rufe ich Dir nach: Weisst Du noch, wie wir uns zum ersten Mal begegnet sind, um 1970 in Pfäfers/SG, Du als junger Priester, ich als Sekundarschüler?
Du warst mit deiner Mutter und meiner Tante bei uns daheim zu Besuch. Tante Sabina, die jüngste Schwester meines Vaters, hatte in Zürich-Enge ihre Familie gegründet und fünf Kinder zur Welt gebracht, in deiner Pfarrei Dreikönigen. Wir hatten gemeinsam den alten Stall an der Porta Romana zum Ferienhaus umgebaut. Da verbrachtest Du in jenem Sommer ein paar unbeschwerte Tage. Ich durfte umgekehrt schon als kleiner Bub zu meiner Cousine und meinen vier Cousins in die Stadt. Als ich nach dem Studium und einigen Jahren im Lehramt meine berufliche Laufbahn als Partei- und Fraktionssekretär der Christdemokraten in Zürich begann, nota bene genau in jenem Haus in der Enge, wo ich als Knirps in den Ferien war, hieltest Du als CVP-Fraktionschef der Bezirksschulpflege in meinem Sitzungszimmer Konferenzen ab. Das war um 1990. Und weisst Du noch? Wieder rund 20 Jahre später begegneten wir uns unverhofft zum dritten Mal an den Vernissagen deiner Ausstellung „Ein Stück Himmel auf Erden“ in Rapperswil und St. Gallen, Du als Theologe und Kurator im Auftrag des Präsidialdepartementes der Stadt Zürich, ich als Historiker und langjähriger Sänger des Schweizer Romanos Chores, der mit slawisch-byzantinischen Gesängen die Festgemeinden erfreuen durfte.
Patriarch Irinej der Serbisch-Orthodoxen Kirche (Mitte), Generalvikar Josef Annen (links) und Peter Wittwer (rechts). Foto: zvg
Förderer der Orthodoxen Kirchen
Das war im Winter 2011/2012. Wer von uns hätte damals gedacht, dass wir in Kürze in dieser Domäne sehr eng zusammenarbeiten würden? Du im Auftrag des Synodalrates und des Generalvikars der Katholischen Kirche im Kanton Zürich als Vorsitzender der ökumenischen Arbeitsgruppe „Orthodoxe Kirchen im Kanton Zürich“ und ich als neuer Bereichsleiter Migrantenseelsorge in der Verwaltung des Synodalrates, dem die Behörde aufgrund einer Anfrage aus der Synode die interne Zuständigkeit gerne zuwies. Beide hatten wir eine gemeinsame und zweifache Affinität zu den Ostkirchen: einerseits spirituell-liturgisch und andererseits dank je weitreichendem persönlichem Beziehungsnetz. Das war im Frühjahr 2013. Sieben erfolgreiche und fruchtbare Jahre durfte ich seither in diesem Projekt mit Dir gehen, lieber Peter. Ein Höhepunkt war für dich der Besuch mit Generalvikar Josef Annen beim Heiligen Synod der serbischen Kirche in Belgrad, wo ihr beide erfolgreich das Verständnis für unsere Kirchensituation in Zürich fördern konntet.
Aus einer flüchtigen Familienbekanntschaft, aus einem Parteikollegen und Stadtzürcher Projektleiter wurdest Du zu meinem spirituellen Begleiter, Vertrauten und Freund.
Engagierter Priester und Pfarrer
Als Teenager bewunderte ich Dich, den couragierten katholischen Pfarrer 1968-1983, in bewegter Zeit, den Menschen deiner Gemeinde und einer lebendigen Kirche verpflichtet. Als Politiker respektierte ich Dich, den christlich-sozialen Bildungsfachmann und engagierten Integrationsbeauftragten der Stadt Zürich 1987-1996, der sich unermüdlich für eine gerechte Gesellschaft und insbesondere den religiösen Frieden einsetzte. Die Gründung des Forums der Religionen 1997 ist ein wesentlicher Teil deines vielfältigen Vermächtnisses.
Als langjähriger Freund der hiesigen Dominikaner hatte ich grosse Achtung vor Dir, dem inzwischen glücklich verheirateten und unerwartet reformierten Pfarrer der offenen Zürcher Predigerkirche 1997-2005. Zeitlebens bliebst Du nebenbei der Liturgiewissenschaft treu und hast bis in die letzte Zeit an deinen Forschungsprojekten gearbeitet. Ich habe deine Schaffenskraft, deinen Lebensmut und deinen unbeugsamen Willen beneidet – „apis benedictina“, Benediktinerschüler wie ich. Während unserer Reisen auf den Spuren der armenischen und der bulgarischen Kirchen im Herbst 2015 und 2018 mit ihrer altorientalischen beziehungsweise byzantinisch-orthodoxen Tradition habe ich Dich nicht nur als wissensdurstigen und wanderlustigen Kollegen kennengelernt, sondern auch als liebenswürdigen Lebensgefährten deiner Gattin Margrit.
Wehmut und Dankbarkeit
Sinn, Glück und Erfolg wurden Dir in deinem erfüllten Leben reichlich beschieden. Leider wurdest Du vor schweren Schicksalsschlägen nicht bewahrt. Hier nur zwei davon: Ich erinnere mich, wie Du mir auf einem Spaziergang erzähltest, dass dein um einiges älterer Bruder beim Klettern am Selbsanft tödlich verunglückte und Du erst siebenjährig dadurch dein einziges Geschwister verlorst. Ich war als passionierter Alpinist fassungslos. Und schliesslich im vergangenen Dezember die definitive Diagnose einer heimtückischen Krankheit.
Ich trauere um Dich, lieber Freund, ich werde deine regelmässigen Besuche im Büro an der Schienhutgasse 7, vis-à-vis deines ehemaligen Pfarrhauses, sehr vermissen. Unsere vielen gemeinsamen Wegmarken sind bemerkenswert und denkwürdig. Ich gedenke deiner in Wehmut und Dankbarkeit.
Im Namen der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und des Verbandes Orthodoxer Kirchen, dessen Beirat ich nach deinem Rücktritt im vergangenen Sommer moderieren darf, danke ich Dir von ganzem Herzen für Deine enormen langjährigen Verdienste um die Integration der vielfältigen Religionsgemeinschaften in Stadt und Kanton Zürich und insbesondere dein entschlossenes Engagement zur Förderung der orthodoxen Kirchen. Wir sind in Gedanken mit Dir und stehen deiner geliebten Margrit zur Seite. – Leb‘ wohl!