Theophanie in Corona-Zeiten: Stefanos Athanasiou segnet die Limmat ohne Prozession
Stefanos Athanasiou (40) ist griechisch-orthodoxer Priester und war heute alleine an der Limmat, um sie zu segnen. Über das grosse Wasserfest in Corona-Zeiten.
© Katholisches Medienzentrum, 6.1.2022 von Raphael Rauch
Wo erwische ich Sie gerade?
Stefanos Athanasiou*: Auf dem Sprung zum Zug. Ich fahre zurück nach Bern. Wir haben gerade in Zürich einen grossen Gottesdienst gefeiert und dann war ich noch alleine an der Limmat, um die Limmat zu segnen. Leider gab es wie letztes Jahr wegen Corona keine Prozession zur Limmat. Ich hab’s ganz im Stillen und unspektakulär gemacht. Die Segnung der Gewässer und dadurch der gesamten Schöpfung ist eine Tradition, die sich sehr stark in der orthodoxen Kirche durchgesetzt hat.
«Es geht um die Taufe Christi im Jordan durch Johannes den Täufer.»
Warum ist der 6. Januar in der Orthodoxie so wichtig?
Athanasiou: In der orthodoxen Kirche wird am 6. Januar das Theophanie- oder das Epiphanie-Fest gefeiert. Im Gegensatz zur Westkirche gedenkt man an diesem Tag nicht den Heiligen Drei Königen, die durch ihre Verehrung im Jesuskind den Heiland erkannt und verehrt haben. Sondern es geht um die Taufe Christi im Jordan durch Johannes den Täufer-
© zVg / Grosses Wasserfest mit Stefanos Athanasiou vor der Corona-Pandemie.
Was ist der Unterschied zwischen Theophanie und Epiphanie?
Athanasiou: Beide Begriffe meinen das gleiche Fest, es ist fast ein Synonym. Theophanie heisst Gotteserscheinung, Epiphanie meint Erscheinung im Sinn der Offenbarung. Jede Gotteserscheinung ist eine Form von Offenbarung und umgekehrt. Im Markus-Evangelium offenbart uns der Vater während der Taufe Jesu: «Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.» Das ist Erscheinung und Offenbarung pur.
Bei uns Griechen ist der Begriff Theophanie gebräuchlicher. Die meisten wünschen sich heute ein «schönes Fest auf viele Jahre». Auf griechisch heisst das «chronia polla». Aber wir könnten auch «kala theophania» wünschen, das heisst eine «gute Theophanie».
© Francesco Pistilli / Ein Benedikt-Schüler: Stefanos Athanasiou, Priester der griechisch-orthodoxen Kirche in Zürich.
Wie feiern Sie Theophanie in Corona-Zeiten?
Athanasiou: Eigentlich wie immer, was den Gottesdienst angeht – nur halt mit Schutzkonzept und den entsprechenden Massnahmen. Wir feiern das Theophaniefest als eines der grossen Herrenfeste mit aller Pracht. Nach dem Gottesdienst haben die Gläubigen eine kleine Flasche Weihwasser mit nach Hause genommen. Dieses Weihwasser dient dann als besonderer Segen für das ganze Jahr. Viele Menschen trinken etwa täglich ein Schluck Weihwasser.
«Die gesamte Schöpfung wird gesegnet, erneuert und geheiligt.»
Wenn nicht gerade Corona ist, dann rufen viele orthodoxe Gläubige den Priester zu sich nach Hause für eine Haussegnung. Am gleichen Tag wird das Wasser gesegnet – und eigentlich die gesamte Schöpfung. In vielen Gemeinden, die in der Nähe von Flüssen, Seen oder dem Meer sind, geht man ans Wasser. Dann wirft man ein Kreuz dreimal ins Wasser und gedenkt der Taufe Christi. Dadurch wird die gesamte Schöpfung gesegnet, erneuert und geheiligt.
Wie läuft das in Griechenland ab – und wie in der Schweiz?
Athanasiou: In manchen Dörfern in Griechenland geht der Priester durch die Strassen und segnet nicht nur die Gewässer, sondern das gesamte Dorf mit dem Weihwasser. Seitdem die Orthodoxie auch im Westen immer mehr vertreten ist, findet die Tradition der Segnung der Gewässer eben auch hier statt. In der Schweiz wird ausser der Limmat auch der Zürichsee, der Genfer See, der Vierwaldstättersee, die Aare und so weiter gesegnet.
Wann gibt es Geschenke?
Athanasiou: Das Thema der Geschenke ist nicht so sehr ein konfessionelles Thema, sondern eher ein kulturelles Thema. Im griechischen Kulturraum hat sich durchgesetzt, dass die Geschenke vom Heiligen Basilios dem Grossen am 1. Januar an seinem Gedenktag gebracht werden. Der Heilige Basilios war wie der Heilige Nikolaus ein Mann, der sich besonders für die Armen engagiert hatte und sozial sehr engagiert war. Er hat den Menschen geholfen – vor allem den Obdachlosen, Armen und Weisen. Er ist ihnen beiseite gestanden und hat sie andauernd beschenkt. In der russischen Tradition hat sich eher die säkulare Tradition des Väterchen Frost durchgesetzt, der die Geschenke bringt.
Die Orthodoxie befindet sich jedoch mittlerweile schon so lange im geographischen Westen, dass für viele Familien mittlerweile klar ist: Die Geschenke gibt’s am Heiligabend und in den USA am Weihnachtsmorgen.
* Der habilitierte Theologe Stefanos Athanasiou (40) ist griechisch-orthodoxer Priester. Er ist Mitglied des Neuen Schülerkreises von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.
© Katholisches Medienzentrum, 6.1.2022: https://www.kath.ch/newsd/theophanie-in-corona-zeiten-stefanos-athanasiou-segnet-die-limmat-ohne-prozession/