Maria von Magdala und die Ostereier

Text: Pfarrer Branimir Petković / forum 10/2021

In den orthodoxen Kirchen war Ostern gerade erst: dieses Jahr haben wir am 2. Mai gefeiert.

Ostern ist ein Feiertag, dessen Datum sich bewegt, es ist nur an den Wochentag – an den Sonntag – gebunden. Die Woche nach Ostern heisst dann die «Helle Woche», und die Lieder der Kirche, die gesungen werden, sind voller Freude und Heiterkeit.

An Ostern gehen orthodoxe Christen früh in die Kirche und sie bringen Ostereier mit. Sie verteilen einen Teil in der Kirche und den anderen schenken sie Nachbarn, Freunden und Verwandten, die sie vor der Kirche treffen. Auf die Eier werden christliche Symbole gezeichnet und der Gruss geschrieben: «Christus ist auferstanden». Es ist üblich, dass Ostereier am Karsamstag bemalt werden. Zum Dekorieren der Ostereier gibt es zahlreiche lokale Bräuche. 

Wo es keine Kirche gibt, versammeln sich die Menschen in den Dörfern. Ein Priester kommt dorthin, auch da werden Eier geteilt und das erste Mal nach der Fastenzeit wird Kuchen gegessen. Am Tag nach Ostern ziehen die Menschen in einer feierlichen Prozession durch das Dorf. Die übliche Begrüssung lautet: «Christus ist auferstanden – er ist wirklich auferstanden», diese Begrüssung wird bis zur Auffahrt Christi verwendet. 

Nach unserer Überlieferung geht der Ostereier-Brauch auf die Zeit zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi zurück. Die Schülerin Jesu Christi, Maria von Magdala, soll nach der Himmelfahrt Christi nach Rom gekommen sein, um das Evangelium zu predigen. Als sie vor Kaiser Tiberius trat, soll sie ihn mit den Worten begrüsst haben: «Christus ist auferstanden» – und ihm ein bemaltes Ei geschenkt haben. Nach ihrem Beispiel setzen Christen die Praxis fort, Eier zu malen.

Das Osterei möchte die Offensichtlichkeit der Auferstehung darstellen, wie das Leben von den Toten wird. Denn ein Ei ist an sich ein totes Ding, aber unter dem Einfluss von Wärme entwickelt sich Leben, wenn es unter eine Henne gelegt wird. Schliesslich schlüpft ein lebendes Huhn. Mit seiner Kraft bricht es sein Grab – die Schale – und kommt heraus in die Welt, so wie Jesus Christus zum Leben erweckt wurde und aus dem Grab auferstanden ist. Bei uns steht die Farbe Rot für die Freude aufgrund dieses freudigen Ereignisses und symbolisiert die göttliche Natur Christi; es ist die Farbe der göttlichen Liebe. 

Ostern ist auch für die orthodoxe Kirche der grösste christliche Feiertag, ein Tag, den die Kirche als zentrales Ereignis des Sieges Christi über den Tod feiert. Die Auferstehung des Herrn Jesus Christus ist das Fundament des Christentums: «Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich», heisst es im ersten Korintherbrief. Der Glaube, die Predigt der Jünger Christi und später jedes Christen entspringen also diesem wichtigsten Werk Christi. Die Hoffnung Christi auf seine eigene Auferstehung basiert auf der Wahrheit, dass Christus auferstanden ist: «Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden», heisst es ebenfalls im ersten Korintherbrief.

Wir freuen uns über Ostern – den Höhepunkt des christlichen Kirchenjahres, den Feiertag der Feiertage. Denn an diesem grossen Tag sind die Erwartungen und Wünsche aller Gerechten und Propheten von Adam bis Johannes dem Täufer erfüllt worden.        

Branimir Petković ist Pfarrer (Erzpriester) der serbisch-orthodoxen Kirche in Zürich und Kirchenvorsteher der Hl. Dreifaltigkeitskirche (Elisabethenkirche) in Zürich. Er ist in Rüti ZH aufgewachsen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Kolumne von Pfarrer Branimir Petković publiziert im forum 10/2021:

https://forum-pfarrblatt.ch/ausgaben/2021/10/maria-von-magdala-und-die-ostereier